Die langgeplante Sanierung und anschließende Neubebauung des Geländes der ehemaligen Lackfabrik an der Wandse kommt nicht voran: Zwar steht ein Bauherr bereit, der das Grundstück sanieren und dort 14 Reihenhäuser bauen will. Auch das Sanierungskonzept steht und der Sanierungsvertrag mit der Stadt ist unterschriftsreif. Doch von den drei Eigentümern sind nur zwei zum Verkauf bereit, einer nicht. Die Bezirksversammlung Wandsbek macht jetzt Druck – damit es endlich losgehen kann.
Der Plan für das Betriebsgelände der ehemaligen Lackfabrik sieht außerdem vor: Auch die Wandseredderbrücke soll neu gebaut, der Wandsewanderweg verlängert und die Wandse für Fische durchgängig gemacht werden. Damit all das endlich umgesetzt werden kann und die Fabrikruine, deren Boden verseucht ist, endlich verschwindet, hat die Bezirksversammlung Wandsbek am Donnerstagabend in ihrer letzten Sitzung vor der Wahl einen Antrag der rot-grünen Koalition beschlossen, mit dem Bewegung in die Sanierung und Neubebauung der Fläche der Lackfabrik an der Wandse kommen soll, die Kaufverhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden sollen. Zur Not sollen auch die Möglichkeiten einer Enteignung geprüft werden.
Der beschlossene Antrag kann hier heruntergeladen werden: https://sitzungsdienst-wandsbek.hamburg.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1010365
Dazu Carmen Hansch, SPD-Fraktion Wandsbek: „Das Sanierungskonzept und ein Plan für die neue Bebauung des Geländes stehen. Nun müssen die Verhandlungen endlich zu einem Ende kommen, damit die Altlasten endlich entfernt werden und das Grundstück neu bebaut werden kann.“
Oliver Schweim, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN in Wandsbek: “Die Lackfabrik Arostal ist seit Anfang der 2000erJahre geschlossen. Seitdem wurden auf dem Gelände zahlreiche Schadstoffe festgestellt. Wir sind daher sehCr daran interessiert, dass die Sanierungsarbeiten endlich beginnen, um das Gelände einer Wohnbebauung zuführen zu können. Ein positiver Nebeneffekt ist die dann mögliche Fortführung des Wandsewanderweges.”
Das Grundstück am Wandseredder gehört einer dreiköpfigen BGB-Gesellschaft, deren Gesellschafter gemeinsam das alte Fabrikgelände geerbt haben. Zwei Personen haben dem im August 2018 ausgehandelten Kaufvertrag schon zugestimmt, jetzt soll das Gespräch mit der dritten Person gesucht werden, um den Kaufvertrag endgültig abschließen zu können. Der potenzielle neue Eigentümer steht schon in den Startlöchern und möchte nach Abschluss der Sanierung auf der Fläche 14 Reihenhäuser bauen.
Das Thema begleitet die Rahlstedterinnen und Rahlstedter schon seit vielen Jahren. Im Boden des ehemaligen Betriebsgeländes wurden zahlreiche Schadstoffe festgestellt, so dass ein kompletter Bodentausch nötig ist, hierfür wurde in den letzten Jahren unter Beteiligung der Umweltbehörde und des Bezirksamts ein Sanierungskonzept entwickelt.
Ein Teil des Geländes wird von der Stadt übernommen, auf einem zehn Meter breiten Streifen südlich der Wandse soll der Wandsewanderweg fortgeführt werden und eine Fläche wird für den Neubau der Wandseredderbrücke benötigt.
Carmen Hansch und Oliver Schweim weiter: „Der Stadt und den Nachbarn ist es nicht zumutbar, diese belastete Brache noch länger hinzunehmen. Daher muss dieser Stillstand kurzfristig beendet werden, damit das leidige Thema Lackfabrik endlich zu einem guten Abschluss gebracht wird und der Vergangenheit angehört.“
Hierzu erklärt der Rahlstedter SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ole Thorben Buschhüter: “Mit der ehemaligen Lackfabrik beschäftige ich mich seit vielen Jahren intensiv. Ich war hoffnungsvoll, dass nach langen Verhandlungen das alte Fabrikgelände nun endlich saniert werden kann. Die Nachbarn drängen zurecht schon seit Jahren darauf. Sie werden durch die unrealistischen Erwartungen eines der drei Eigentümer, mit dem praktisch wertlosen Grundstück noch Geld verdienen zu können, bitter enttäuscht. Das Thema Lackfabrik muss endlich zu einem guten Ende geführt werden. Der Beschluss der Bezirksversammlung setzt dafür das richtige Zeichen.”
Hintergrundinformationen zur alten Lackfabrik an der Wandse:
Worum geht es konkret?
Auf dem Grundstück zwischen den Straßen Altrahlstedter Kamp und Wandseredder, direkt an der Wandse gelegen, befindet sich das ehemalige Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.). Zum Jahreswechsel 2004/2005 hat die Firma ihren Betrieb eingestellt. 2006 ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, 2010 wurde die Gesellschaft von Amts wegen wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Die Gebäude stehen seitdem leer, wurden zwischenzeitlich vollständig geräumt und verwildern nun. Das Grundstück umfasst das eigentliche, bebaute Betriebsgelände südlich der Wandse, erstreckt sich aber auch ein Stück weit nördlich der Wandse. Außerdem gehört der ehemalige Mühlenteich dazu. Die Wandse ist im Verlauf des aus zwei Flurstücken bestehenden Grundstücks ebenfalls Bestandteil. Eigentümer ist eine Erbengemeinschaft, die das Grundstück an die Norddeutsche Lackfabrik verpachtet hatte.
Das Betriebsgelände wird im Altlastenhinweiskataster als Altlast geführt. Spätestens nach der Einstellung des Betriebs stellte sich die Frage nach dem Umfang der Bodenbelastungen.
Welche Bodenbelastungen wurden festgestellt?
Das ehemalige Betriebsgelände ist mit aromatischen und Mineralöl-Kohlenwasserstoffen, darunter das krebserregende Benzol, sowie mit Schwermetallen belastet. Erneute Messungen hatten 2010 deutlich erhöhte Messwerte des Stauwassers im Schadenszentrum ergeben, wandsenah waren sie leicht erhöht. In der Wandse selbst, im Grundwasser und im Brunnen konnten keine Schadstoffe festgestellt werden.
Seit 2013 liegen der Umweltbehörde die Ergebnisse der von ihr eingeforderten weiteren Bodenuntersuchungen vor. Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Ausmaß der Bodenbelastung größer ist, als bislang gedacht. Belasteter Boden findet sich demnach nicht nur auf dem eigentlichen Fabrikgelände zwischen Altrahlstedter Kamp, Wandseredder und Wandse, sondern auch nördlich der Wandse und östlich des Wandseredders.
Der von der Grundstückseigentümer in Auftrag gegebenen „orientierenden Untersuchung“ zufolge überschreiten die Schadstoffgehalte im Boden die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) aufgestellten Zuordnungswerte bei extrahierbaren organisch gebundenen Halogeniden (EOX), Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Benzo(a)pyren (B(a)P), Polychlorierten Biphenylen (PCB), Cyaniden (Blausäureverbindungen) und Blei. Die Prüfwerte der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung für den Wirkungspfad Boden-Mensch/Park- und Freizeitanlagen werden dagegen nur im eingezäunten Grundstücksteil nördlich der Wandse für den Parameter PCB mit 263 mg/kgTS (TS = Trockensubstanz) überschritten, dafür aber um das über 130fache über dem Prüfwert (2 mg/kgTS). PCB sind krebsauslösend und zählen zu den zwölf als „dreckiges Dutzend“ bekannten organischen Giftstoffen, die durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden.
Die Umweltbehörde hat die Grundstückseigentümerin daraufhin aufgefordert, auf den betroffenen Grundstücksteilen weitere Bodenuntersuchungen durchzuführen. Außerdem wurde sie zur Untersuchung des auf dem Grundstücksteil nördlich der Wandse anstehenden Stauwassers aufgefordert. Laut Auskunft der Umweltbehörde bestätigen die Untersuchungsberichte vom Mai 2014 für die Grundstücksteile nördlich und südlich der Wandse die bisherigen Erkenntnisse zur Belastungssituation.
Welche Planungen gibt es für das Grundstück?
Im Frühjahr 2012 hat das Bezirksamt Wandsbek einen Bauvorbescheid für die Bebauung des Grundstücks südlich der Wandse mit drei Einzelhäusern mit je fünf Wohnungen erteilt. Die Umweltbehörde hat zudem Forderungen zur Sanierung des Grundstücks im Zusammenhang mit der Realisierung des Bauvorhabens gestellt. Die Geltungsdauer des Bauvorbescheids wurde seitdem mehrmals verlängert. Die aktuellen Planungen sehen 14 Reihenhäuser vor. Details darüber sind noch nicht bekannt.
Die Umweltbehörde ließ 2013 durchblicken, dass die noch nicht beantragte Rückbaugenehmigung um weitere Auflagen und Bedingungen ergänzt werden könnte, in Abhängigkeit von den bisherigen und noch ausstehenden Untersuchungsergebnissen und den daraus folgenden Sanierungserfordernissen.
Im Zuge der angedachten Neubebauung des Grundstücks sind zudem weitere Maßnahmen im Umfeld vorgesehen: Zum einen soll der Wandse-Wanderweg zwischen Altrahlstedter Kamp und Wandseredder auf der Südseite der Wandse fortgeführt werden, zum anderen ist ein Neubau der maroden Brücke Wandseredder dringend erforderlich, der nach Möglichkeit im Zusammenhang mit der Neubebauung des Grundstücks realisiert werden soll. Die Brücke weist erhebliche Schäden auf, die ihre Standsicherheit beeinträchtigen, und wurde deshalb im Oktober 2010 für Kraftwagen ab einer Achslast von 3 t oder einer Breite von mehr als 2 m gesperrt.
Zudem soll der Sohlabsturz unter der Brücke umgebaut werden, um eine Durchgängigkeit der Wandse gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie zu erzielen.
Was sonst noch interessant ist
Die Lackfabrik wurde zwischen 1909 und Ende 2004 betrieben. Zuvor befand sich dort die nach neuesten Erkenntnissen des AK Geschichte des Rahlstedter Kulturvereins e.V. sogar schon 1309 erstmals urkundlich erwähnte Loher Wassermühle. Aufgrund ihrer historischen Bedeutung hat auch die archäologische Denkmalpflege ein grundsätzliches Interesse an dem Grundstück.
Kleine Anfragen
Seit Herbst 2009 beschäftige ich mich mit dem Thema, habe recherchiert, Gespräche geführt und die Nachbarn der alten Lackfabrik, die sich in der „Interessengemeinschaft Arostal-Lackfabrik“ zusammengeschlossen haben, mit den Vertretern der Grundeigentümer der Lackfabrik zusammengebracht. Mittlerweile zwölf Kleine Anfragen förderten bis dahin Unbekanntes über die Altlast zu Tage. Die Kleinen Anfragen können hier heruntergeladen werden:
- Drucksache 19/4064 vom 18. September 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1“
- Drucksache 19/4439 vom 30. Oktober 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (II)“
- Drucksache 19/4753 vom 11. Dezember 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (III)“
- Drucksache 19/5106 vom 26. Januar 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (IV)“
- Drucksache 19/5239 vom 9. Februar 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (V)“
- Drucksache 19/5478 vom 2. März 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VI)“
- Drucksache 19/6836 vom 3. August 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VII)“
- Drucksache 19/7369 vom 1. Oktober 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VIII)“
- Drucksache 19/7421 vom 5. Oktober 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (IX)“
- Drucksache 20/3650 vom 3. April 2012: „Altlast Lackfabrik an der Wandse“
- Drucksache 20/8592 vom 12. Juli 2013: „Altlast Lackfabrik an der Wandse (II)“
- Drucksache 20/8975 vom 28. Oktober 2013: „Altlast Lackfabrik an der Wandse (III)“
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