Die Pläne für die Sanierung und anschließende Neubebauung des Geländes der ehemaligen Lackfabrik an der Wandse nehmen mittlerweile konkrete Formen an. Im kommenden Jahr soll der Boden saniert und das Gelände mit 14 Reihenhäusern neu bebaut werden. Doch das ist nicht alles: Auch die Wandseredderbrücke wird neu gebaut, der Wandsewanderweg verlängert und die Wandse für Fische durchgängig gemacht.
In einer aktuellen Mitteilung der Behörde für Umwelt und Energie (BUE) heißt es (BV-Drs. 20/6216): „Für das Grundstück Altrahlstedter Kamp 1 steht ein Eigentümerwechsel unmittelbar bevor. Der neue Eigentümer plant auf dieser Fläche den Bau von 14 Reihenhäusern und klärt momentan mit dem Bezirksamt Wandsbek die Umsetzungsmöglichkeiten der Bebauung. Vor der Neubebauung sind die Bodenbelastungen aus der Vornutzung als Lackfabrik vollständig zu entfernen. Dazu hat die BUE mit dem potenziellen Eigentümer einen Sanierungsvertrag aufgesetzt und abgestimmt. Der Sanierungsvertrag wird unterschrieben, sobald die Abstimmungsgespräche zur Neubebauung zwischen dem neuen Eigentümer und dem Bezirksamt zu einem positiven Ergebnis kommen. Die Sanierung des Bodens und die Neubebauung sind für 2019 geplant. Um den Wohnungsbau schneller realisieren zu können, werden die Sanierung des Bodens und die Neubebauung zeitlich unabhängig von der Brückenerneuerung vorgezogen. Der Kaufvertrag und der Sanierungsvertrag werden erst dann wirksam, wenn die Baugenehmigung erteilt wird.“
Gleich neben der Lackfabrik befindet sich die marode Brücke Wandseredder und unter ihr ein Sohlabsturz, der der Durchgängigkeit der Wandse im Wege steht. Hierzu hat der Landesbetrieb Straßen Brücken und Gewässer (LSBG) mitgeteilt:
„Die Verhandlungen mit dem Bezirksamt Wandsbek über die Beauftragung des LSBG stehen unmittelbar vor dem Abschluss. Der LSBG wird die Planung, den Entwurf und die Baudurchführung für den Neubau der Wandseredderbrücke, die erforderlichen Straßenbaumaßnahmen sowie den Gewässerbau zur Herstellung der Sohlgleite übernehmen. Unabhängig davon hat der LSBG in einem ersten Schritt bereits die planerischen Voraussetzungen geklärt. Nach aktueller Einschätzung ist aufgrund des Eingriffs in das angrenzende Biotop ein formales planungsrechtliches Verfahren erforderlich. Sofern der erforderliche Grunderwerb zeitgerecht erfolgt, wird der Baubeginn voraussichtlich im Jahr 2022 erfolgen. Die Bauzeit wird voraussichtlich rund ein Jahr betragen.
Hierzu erklärt der Rahlstedter SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ole Thorben Buschhüter: „Mit der ehemaligen Lackfabrik habe ich mich seit vielen Jahren intensiv beschäftigt. Es freut mich, dass wir nun offenbar kurz vor dem Durchbruch stehen, damit das alte Fabrikgelände endlich saniert werden kann. Die Nachbarn drängen zurecht schon seit Jahren darauf. Die Neubebauung des Geländes ermöglicht die Finanzierung der Sanierungskosten ohne Beteiligung des Steuerzahlers. Auch das ist ein Erfolg.“
Weitere Details über das Vorhaben sind aktuell noch nicht bekannt.
Hintergrundinformationen zur alten Lackfabrik an der Wandse:
Worum geht es konkret?
Auf dem Grundstück zwischen den Straßen Altrahlstedter Kamp und Wandseredder, direkt an der Wandse gelegen, befindet sich das ehemalige Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.). Zum Jahreswechsel 2004/2005 hat die Firma ihren Betrieb eingestellt. 2006 ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, 2010 wurde die Gesellschaft von Amts wegen wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.
Die Gebäude stehen seitdem leer, wurden zwischenzeitlich vollständig geräumt und verwildern nun. Das Grundstück umfasst das eigentliche, bebaute Betriebsgelände südlich der Wandse, erstreckt sich aber auch ein Stück weit nördlich der Wandse. Außerdem gehört der ehemalige Mühlenteich dazu. Die Wandse ist im Verlauf des aus zwei Flurstücken bestehenden Grundstücks ebenfalls Bestandteil. Eigentümer ist eine Erbengemeinschaft, die das Grundstück an die Norddeutsche Lackfabrik verpachtet hatte.
Das Betriebsgelände wird im Altlastenhinweiskataster als Altlast geführt. Spätestens nach der Einstellung des Betriebs stellte sich die Frage nach dem Umfang der Bodenbelastungen.
Welche Bodenbelastungen wurden festgestellt?
Das ehemalige Betriebsgelände ist mit aromatischen und Mineralöl-Kohlenwasserstoffen, darunter das krebserregende Benzol, sowie mit Schwermetallen belastet. Erneute Messungen hatten 2010 deutlich erhöhte Messwerte des Stauwassers im Schadenszentrum ergeben, wandsenah waren sie leicht erhöht. In der Wandse selbst, im Grundwasser und im Brunnen konnten keine Schadstoffe festgestellt werden.
Seit 2013 liegen der Umweltbehörde die Ergebnisse der von ihr eingeforderten weiteren Bodenuntersuchungen vor. Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Ausmaß der Bodenbelastung größer ist, als bislang gedacht. Belasteter Boden findet sich demnach nicht nur auf dem eigentlichen Fabrikgelände zwischen Altrahlstedter Kamp, Wandseredder und Wandse, sondern auch nördlich der Wandse und östlich des Wandseredders.
Der von der Grundstückseigentümer in Auftrag gegebenen „orientierenden Untersuchung“ zufolge überschreiten die Schadstoffgehalte im Boden die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) aufgestellten Zuordnungswerte bei extrahierbaren organisch gebundenen Halogeniden (EOX), Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Benzo(a)pyren (B(a)P), Polychlorierten Biphenylen (PCB), Cyaniden (Blausäureverbindungen) und Blei. Die Prüfwerte der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung für den Wirkungspfad Boden-Mensch/Park- und Freizeitanlagen werden dagegen nur im eingezäunten Grundstücksteil nördlich der Wandse für den Parameter PCB mit 263 mg/kgTS (TS = Trockensubstanz) überschritten, dafür aber um das über 130fache über dem Prüfwert (2 mg/kgTS). PCB sind krebsauslösend und zählen zu den zwölf als „dreckiges Dutzend“ bekannten organischen Giftstoffen, die durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden.
Die Umweltbehörde hat die Grundstückseigentümerin daraufhin aufgefordert, auf den betroffenen Grundstücksteilen weitere Bodenuntersuchungen durchzuführen. Außerdem wurde sie zur Untersuchung des auf dem Grundstücksteil nördlich der Wandse anstehenden Stauwassers aufgefordert. Laut Auskunft der Umweltbehörde bestätigen die Untersuchungsberichte vom Mai 2014 für die Grundstücksteile nördlich und südlich der Wandse die bisherigen Erkenntnisse zur Belastungssituation.
Welche Planungen gibt es für das Grundstück?
Im Frühjahr 2012 hat das Bezirksamt Wandsbek einen Bauvorbescheid für die Bebauung des Grundstücks südlich der Wandse mit drei Einzelhäusern mit je fünf Wohnungen erteilt. Die Umweltbehörde hat zudem Forderungen zur Sanierung des Grundstücks im Zusammenhang mit der Realisierung des Bauvorhabens gestellt. Die Geltungsdauer des Bauvorbescheids wurde seitdem mehrmals verlängert. Neuere Planungen sehen stattdessen 14 Reihenhäuser vor. Details darüber sind noch nicht bekannt.
Die Umweltbehörde ließ 2013 durchblicken, dass die noch nicht beantragte Rückbaugenehmigung um weitere Auflagen und Bedingungen ergänzt werden könnte, in Abhängigkeit von den bisherigen und noch ausstehenden Untersuchungsergebnissen und den daraus folgenden Sanierungserfordernissen.
Im Zuge der angedachten Neubebauung des Grundstücks sind zudem weitere Maßnahmen im Umfeld vorgesehen: Zum einen soll der Wandse-Wanderweg zwischen Altrahlstedter Kamp und Wandseredder auf der Südseite der Wandse fortgeführt werden, zum anderen ist ein Neubau der maroden Brücke Wandseredder dringend erforderlich, der nach Möglichkeit im Zusammenhang mit der Neubebauung des Grundstücks realisiert werden soll. Die Brücke weist erhebliche Schäden auf, die ihre Standsicherheit beeinträchtigen, und wurde deshalb im Oktober 2010 für Kraftwagen ab einer Achslast von 3 t oder einer Breite von mehr als 2 m gesperrt.
Zudem soll der Sohlabsturz unter der Brücke umgebaut werden, um eine Durchgängigkeit der Wandse gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie zu erzielen.
Was sonst noch interessant ist
Die Lackfabrik wurde zwischen 1909 und Ende 2004 betrieben. Zuvor befand sich dort die nach neuesten Erkenntnissen des AK Geschichte des Rahlstedter Kulturvereins e.V. sogar schon 1309 erstmals urkundlich erwähnte Loher Wassermühle. Aufgrund ihrer historischen Bedeutung hat auch die archäologische Denkmalpflege ein grundsätzliches Interesse an dem Grundstück.
Kleine Anfragen
Seit Herbst 2009 beschäftige ich mich mit dem Thema, habe recherchiert, Gespräche geführt und die Nachbarn der alten Lackfabrik, die sich in der „Interessengemeinschaft Arostal-Lackfabrik“ zusammengeschlossen haben, mit den Vertretern der Grundeigentümer der Lackfabrik zusammengebracht. Mittlerweile zwölf Kleine Anfragen förderten bis dahin Unbekanntes über die Altlast zu Tage. Die Kleinen Anfragen können hier heruntergeladen werden:
- Drucksache 19/4064 vom 18. September 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1“
- Drucksache 19/4439 vom 30. Oktober 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (II)“
- Drucksache 19/4753 vom 11. Dezember 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (III)“
- Drucksache 19/5106 vom 26. Januar 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (IV)“
- Drucksache 19/5239 vom 9. Februar 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (V)“
- Drucksache 19/5478 vom 2. März 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VI)“
- Drucksache 19/6836 vom 3. August 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VII)“
- Drucksache 19/7369 vom 1. Oktober 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VIII)“
- Drucksache 19/7421 vom 5. Oktober 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (IX)“
- Drucksache 20/3650 vom 3. April 2012: „Altlast Lackfabrik an der Wandse“
- Drucksache 20/8592 vom 12. Juli 2013: „Altlast Lackfabrik an der Wandse (II)“
- Drucksache 20/8975 vom 28. Oktober 2013: „Altlast Lackfabrik an der Wandse (III)“
Habt ihr mit der Interessen Gemeinschaft gesprochen
Ich habe in den letzten Tagen zweimal versucht, die Interessengemeinschaft (Herrn Miller) telefonisch zu erreichen (jeweils Nachrichten auf Mailbox hinterlassen, noch kein Rückruf) und eine E-Mail geschickt (konnte nicht zugestellt werden). Morgen gibt es von mir auch noch einen Brief per Post. Vielleicht können Sie auch einen Kontakt herstellen? Ansonsten: Ich gehen davon aus, dass die Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren noch förmlich beteiligt werden.