Mit einer umfangreichen Untersuchung wollen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen der Frage nachgehen, ob mittels einer sogenannten Durchbindung von Zügen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) der Hamburger Hauptbahnhof leistungsfähiger werden kann. Das geht aus einer Kleinen Anfrage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Ole Thorben Buschhüter hervor.
Die ergebnisoffene Untersuchung soll aufzeigen, welche Vor- und Nachteile eine Verknüpfung und Durchbindung von SPNV-Linien über den Hamburger Hauptbahnhof hinaus hätte. Ziel ist es, zusätzliche Kapazitäten am Hamburger Hauptbahnhof zu gewinnen, um angesichts der steigenden Fahrgastnachfrage entsprechend leistungsfähige Verkehrsangebote im SPNV anbieten zu können. Dabei soll in einem dreistufigen Verfahren ermittelt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Durchbindung möglich ist. Die beteiligten Bundesländer wollen noch in diesem Herbst der DB Netz AG einen entsprechenden Untersuchungsauftrag erteilen. Die Ergebnisse sollen Ende 2020 vorliegen, so der Senat in seiner Antwort.
Dazu Ole Thorben Buschhüter, Parlamentarischer Geschäftsführer und Verkehrsexperte der SPD-Bürgerschaftsfraktion: “Der Hauptbahnhof operiert mit Blick auf die Kapazität von Gleisen und Bahnsteigen am Limit. Dass die Praxis der im Hauptbahnhof beginnenden und endenden SPNV-Züge jetzt auf den Prüfstand kommt, ist sehr zu begrüßen. Eine Abkehr von dieser Praxis würde allerdings eine umfassende Veränderung der SPNV-Konzepte im Großraum Hamburg erfordern. Das ist die eigentliche Krux, denn hierfür müssen die beteiligten Länder als Aufgabenträger des SPNV aufeinander zugehen und sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Die Untersuchung ist der erste Schritt dazu. Dabei kommt Hamburg eine Vermittlerrolle zu, denn wenn sich die Durchbindung der Regionalverkehrszüge als wirksames Mittel zur Erhöhung der Kapazität des Hauptbahnhofs erweisen sollte, darf sie nicht an Einzelinteressen der Nachbarländer mit ihren teilweise sehr unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten scheitern. Dabei geht es nicht nur um eine effizientere Nutzung der Gleise, sondern auch darum, den Hauptbahnhof von Fahrgastströmen zu entlasten. Wenn der Hauptbahnhof nicht mehr Endstation, sondern nur noch Zwischenhalt ist, könnten viele Fahrgäste ihre Ziele auch ohne zwingenden Umstieg im Hauptbahnhof erreichen. Zudem könnten die SPNV-Züge länger werden, wenn sie am ganzen und nicht nur am halben Bahnsteig halten könnten, so dass in den Zügen Platz für mehr Fahrgäste ist.”
Hintergrund
Der Hamburger Hauptbahnhof, obwohl Durchgangsbahnhof, wird im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) nur als Doppelkopfbahnhof genutzt. Alle Züge des SPNV beginnen und enden dort und fahren nach einem bis zu 45 Minuten langen Aufenthalt am Bahnsteig wieder in die Gegenrichtung zurück. Solange ist das jeweilige Gleis für durchfahrende Züge nicht passierbar. Häufig werden die Gleise sogar von jeweils zwei Zügen hintereinander belegt. Das wiederum schränkt die maximale Zuglänge ein. Diese Praxis steht immer wieder in der Diskussion und wird verantwortlich gemacht für die ungenügende Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs.
Schriftliche Kleine Anfrage “Kapazität des Hamburger Hauptbahnhofs” und Antwort des Senats vom 22. Oktober 2019, Drucksache 21/18650: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/68322/kapazitaet_des_hamburger_hauptbahnhofs.pdf
Hallo Herr Buschhüter,
das Problem der Überbelegung des Hauptbahnhofes erscheint immer mal wieder in den Medien. Zuletzt jetzt am 06. 11. mit der Idee, die Regio-Züge nicht im Hauptbahnhof enden, sondern durchfahren zu lassen um keine Gleisblockaden hervorzurufen. Dieses Problem könnte man relativ kurzfristig, spätestens zum nächsten Fahrplanwechsel und bevor Abklärungen mit den verschiedenen Bundesländern stattgefunden haben in Teilumfangen lösen. Und zwar würde es alle Regio-Züge die aus Richtung Süden (z. B. Lüneburg, Uelzen, Hannover, Cuxhaven, Lübeck, Rostock) einfahren und ca. 45 Min. oder länger im Hbf. verweilen und auf die Rückfahrt warten, betreffen. Diese Züge enden und starten künftig nicht im Hbf., sondern im Bf. Altona. Hier stehen 8 Gleise zur Verfügung, die in großen Teilen unbelegt sind. Zudem gibt es den zusätzlichen Vorteil, dass viele Pendler für die Weiterfahrt nicht mehr im Hbf. in die S-Bahn umsteigen müssten sondern bis Dammtor oder Altona durchfahren könnten.
Es ist möglich, dass die DB solchen Plänen sekptisch bis ablehnend gegenübersteht, weil es eine Aufwertung des jetzigen Bahnhofs Altona bedeuten könnte und die, wegen der Verlegung des Bahnhofs nach Diebsteich, nicht in die Zeit passen würden. Es gäbe sicher viel Überzeugungsarbeit und sehr genaue Argumentsprüfungen, wäre allerdings eine Kurzfristlösung bis eine Durchbindung nach Schleswig-Holstein möglich wird.
Außerdem ist zum Thema Blockaden im Hbf. in der Zeitschrift “Modelleisenbahner” im Heft 03/2018, Seite 24, ein sehr interessanter Artikel von einem hauptberuflichen Eisenbahnplaner erschienen, der lesenswert ist.
Schöne Grüße
Peter Dittmer
Hallo Herr Dittmer,
die Durchbindung von SPNV-Linien über den Hauptbahnhof hinaus ist zunächst einmal eine Idee, die immer wieder durch die Köpfe geistert und die jetzt richtigerweise einmal vorurteilsfrei und ergebnisoffen geprüft wird. Ob sie tatsächlich besser ist, als die jetzige Betriebspraxis, wird die Untersuchung zeigen. Denn ganz so einfach ist es leider nicht, das kann man jetzt schon sagen: Von Süden und Osten kommende SPNV-Züge einfach nur bis Altona zu verlängern, dürfte schon daher ganz schwierig werden, weil die Verbindungsbahn mit dem Halt in Dammtor einen Engpass darstellt und dies so nicht zulässt. Als praktikable Lösung wird daher untersucht, vorhandene Linien zu verknüpfen, also von Osten und Süden kommende SPNV-Züge mit solchen zu verknüpfen, die sowie so schon, nach Norden fahrend, auf der Verbindungsbahn verkehren. Da beginnt aber das nächste Problem, denn von Süden und Osten kommen im Hauptbahnhof viel mehr SPNV-Züge an, als ihn Richtung Dammtor/Norden verlassen (können). Es wird also gar nicht dafür reichen, alle Linien zu verknüpfen, es wird selbst im Falle der Verknüpfung und Durchbindung von Linien weiterhin welche geben müssen, die im Hbf. starten und enden. All das wird Gegenstand der ergebnisoffenen Untersuchung sein. Die Untersuchung wird aufzeigen, welche Vor- und Nachteile eine Verknüpfung und Durchbindung von SPNV-Linien über den Hamburger Hauptbahnhof hinaus hätte und ob damit zusätzliche Kapazitäten am Hamburger Hauptbahnhof gewonnen werden können. Wir dürfen gespannt sein auf die Ergebnisse.
Mit freundlichen Grüßen
Ole Thorben Buschhüter
Hallo Herr Buschhüter,
was ist denn aus der vor einiger Zeit (vor ca. 1-2 Jahren) durch die Presse gegangenen Idee geworden, (ggf. provisorische) Treppen von den Bahnsteigen zur Steintorbrücke zu errichten, um das unsägliche Gedränge am Hbf-Südsteg zu entlasten? Über die Steintorbrücke könnten Fahrgäste sowohl direkt den Hbf verlassen, zwischen NV-Zügen und S-Bahn wechseln und direkt zur U-Hbf Süd gelangen.
Ich erinnere mich, dass es hierzu ein Treffen von Hr. Tschentscher mit der DB gab, um zu erörtern, mittels welcher Maßnahmen man schnell(!) am Hbf Linderung schaffen könnte. Seitdem hab ich aber leider nichts mehr davon gehört. Können Sie berichten, was daraus geworden ist?
Hallo Herr Havran,
die Idee wird weiterverfolgt, die Vergabe der Planungsleistungen ist zwischenzeitlich erfolgt. Hier ein Auszug aus dem Letter of Intent “Erweiterung des Hauptbahnhofes Hamburg und Entwickiung seines Umfeldes” zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der DB Station & Service AG vom 17. Juni 2019, Abschnitt “5. Vorgezogene Maßnahmen”:
5.1 Die DB wird voraussichtlich bis Ende 2021 provisorische Zugänge zu den Bahnsteigen im Süden schaffen.
5.2 Das Konzept sieht Abgänge von der Steintorbrücke vor, die statisch unabhängig von der Steintorbrücke sind. Die Vergabe der Planungsleistungen ist erfolgt, der Baubeginn ist für Anfang 2021 vorgesehen.
5.3 Im Zuge der Planung wird geprüft, ob die Zugänge so gestaltet werden können, dass sie auch während der Bauzeit der Plattform für Modul B und die Erneuerung der Steintorbrücke weiter genutzt werden können und ihre Entlastungsfunktion erfüllen.
5.4 Die DB wird die FHH über den Fortgang der Planungen und Ausführung regelmäßig unterrichten. Die FHH wird die Planungen und die Bauausführung begleiten und unterstützen. Ggf. erforderliche unterstützenden Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrs- und Personenströme auf der Steintorbrücke im Zusammenhang mit den provisorischen Zugängen wird die FHH, soweit dies unter verkehrlichen Aspekten vertretbar und wirtschaftlich ist, in Abstimmung mit der DB umsetzen.
Viele Grüße
Ole Thorben Buschhüter