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In den frühen Morgenstunden des 18. Februar 2021 hat es in der alten Lackfabrik an der Wandse gebrannt. Durch den schnellen Einsatz der Berufs- und der Freiwilligen Feuerwehr mit mehreren Löschzügen konnten größere Schäden verhindert und das Feuer im Dachstuhl eines der Gebäude nach drei Stunden gelöscht werden. Wenige Tage vorher hatte sich angedeutet, dass sich die Eigentümer nach jahrelangem Streit untereinander nun über einen Verkauf der Immobilie einig sind. Wenn das so kommt, dann könnte das Kapitel Lackfabrik bald Geschichte sein.

“Nicht auszudenken, wenn ein größeres Feuer ausgebrochen wäre und die Nachbarschaft in Gefahr gebracht hätte. Ein großer Dank gilt den etwa 50 Retterinnen und Rettern der Berufs- und der Freiwilligen Feuerwehr. Die alte Lackfabrik gehört endlich zügig abgerissen, damit sich so etwas nicht wiederholt. Auch wenn die Brandursache noch nicht abschließend geklärt ist, so ist doch Brandstiftung sehr wahrscheinlich. Die leerstehende Industrieruine zieht immer wieder unerwünschte Personen an, und einige schrecken offenbar selbst vor gemeingefährlichen Straftaten nicht zurück”, sagt der Rahlstedter SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, der sich seit langem mit dem Thema Lackfabrik beschäftigt.

Bei einem Besuch vor Ort am Sonnabend traf Buschhüter zufällig auf einen der Eigentümer, der gerade dabei war, Grundstück und Gebäude wieder gegen unerlaubtes Betreten zu sichern. Im Gespräch bestätigte er die Einigung unter den Eigentümern über den Verkauf. “Die sich verdichtenden Hinweise auf eine Einigung unter den Eigentümern machen Hoffnung, dass es nach jahrelangem Stillstand mit Abriss, Bodensanierung und Neubebauung endlich bald vorangehen könnte. Glauben tue ich es allerdings erst, wenn es soweit ist”, ergänzt Buschhüter.

Hintergrundinformationen zur alten Lackfabrik an der Wandse:

Worum geht es konkret?

Auf dem Grundstück zwischen den Straßen Altrahlstedter Kamp und Wandseredder, direkt an der Wandse gelegen, befindet sich das ehemalige Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.). Zum Jahreswechsel 2004/2005 hat die Firma ihren Betrieb eingestellt. 2006 ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, 2010 wurde die Gesellschaft von Amts wegen wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Die Gebäude stehen seitdem leer, wurden zwischenzeitlich vollständig geräumt und verwildern nun. Das Grundstück umfasst das eigentliche, bebaute Betriebsgelände südlich der Wandse, erstreckt sich aber auch ein Stück weit nördlich der Wandse. Außerdem gehört der ehemalige Mühlenteich dazu. Die Wandse ist im Verlauf des aus zwei Flurstücken bestehenden Grundstücks ebenfalls Bestandteil. Eigentümer ist eine Erbengemeinschaft, die das Grundstück an die Norddeutsche Lackfabrik verpachtet hatte.

Das Betriebsgelände wird im Altlastenhinweiskataster als Altlast geführt. Spätestens nach der Einstellung des Betriebs stellte sich die Frage nach dem Umfang der Bodenbelastungen.

Welche Bodenbelastungen wurden festgestellt?

Das ehemalige Betriebsgelände ist mit aromatischen und Mineralöl-Kohlenwasserstoffen, darunter das krebserregende Benzol, sowie mit Schwermetallen belastet. Erneute Messungen hatten 2010 deutlich erhöhte Messwerte des Stauwassers im Schadenszentrum ergeben, wandsenah waren sie leicht erhöht. In der Wandse selbst, im Grundwasser und im Brunnen konnten keine Schadstoffe festgestellt werden.

Seit 2013 liegen der Umweltbehörde die Ergebnisse der von ihr eingeforderten weiteren Bodenuntersuchungen vor. Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Ausmaß der Bodenbelastung größer ist, als bislang gedacht. Belasteter Boden findet sich demnach nicht nur auf dem eigentlichen Fabrikgelände zwischen Altrahlstedter Kamp, Wandseredder und Wandse, sondern auch nördlich der Wandse und östlich des Wandseredders.

Der von der Grundstückseigentümer in Auftrag gegebenen „orientierenden Untersuchung“ zufolge überschreiten die Schadstoffgehalte im Boden die von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) aufgestellten Zuordnungswerte bei extrahierbaren organisch gebundenen Halogeniden (EOX), Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK), Benzo(a)pyren (B(a)P), Polychlorierten Biphenylen (PCB), Cyaniden (Blausäureverbindungen) und Blei. Die Prüfwerte der Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung für den Wirkungspfad Boden-Mensch/Park- und Freizeitanlagen werden dagegen nur im eingezäunten Grundstücksteil nördlich der Wandse für den Parameter PCB mit 263 mg/kgTS (TS = Trockensubstanz) überschritten, dafür aber um das über 130fache über dem Prüfwert (2 mg/kgTS). PCB sind krebsauslösend und zählen zu den zwölf als „dreckiges Dutzend“ bekannten organischen Giftstoffen, die durch die Stockholmer Konvention vom 22. Mai 2001 weltweit verboten wurden.

Die Umweltbehörde hat die Grundstückseigentümerin daraufhin aufgefordert, auf den betroffenen Grundstücksteilen weitere Bodenuntersuchungen durchzuführen. Außerdem wurde sie zur Untersuchung des auf dem Grundstücksteil nördlich der Wandse anstehenden Stauwassers aufgefordert. Laut Auskunft der Umweltbehörde bestätigen die Untersuchungsberichte vom Mai 2014 für die Grundstücksteile nördlich und südlich der Wandse die bisherigen Erkenntnisse zur Belastungssituation.

Welche Planungen gibt es für das Grundstück?

Im Frühjahr 2012 hat das Bezirksamt Wandsbek einen Bauvorbescheid für die Bebauung des Grundstücks südlich der Wandse mit drei Einzelhäusern mit je fünf Wohnungen erteilt. Die Umweltbehörde hat zudem Forderungen zur Sanierung des Grundstücks im Zusammenhang mit der Realisierung des Bauvorhabens gestellt. Die Geltungsdauer des Bauvorbescheids wurde seitdem mehrmals verlängert. Die aktuellen Planungen sehen 14 Reihenhäuser vor. Details darüber sind noch nicht bekannt.

Die Umweltbehörde ließ 2013 durchblicken, dass die noch nicht beantragte Rückbaugenehmigung um weitere Auflagen und Bedingungen ergänzt werden könnte, in Abhängigkeit von den bisherigen und noch ausstehenden Untersuchungsergebnissen und den daraus folgenden Sanierungserfordernissen.

Im Zuge der angedachten Neubebauung des Grundstücks sind zudem weitere Maßnahmen im Umfeld vorgesehen: Zum einen soll der Wandse-Wanderweg zwischen Altrahlstedter Kamp und Wandseredder auf der Südseite der Wandse fortgeführt werden, zum anderen ist ein Neubau der maroden Brücke Wandseredder dringend erforderlich, der nach Möglichkeit im Zusammenhang mit der Neubebauung des Grundstücks realisiert werden soll. Die Brücke weist erhebliche Schäden auf, die ihre Standsicherheit beeinträchtigen, und wurde deshalb im Oktober 2010 für Kraftwagen ab einer Achslast von 3 t oder einer Breite von mehr als 2 m gesperrt.

Zudem soll der Sohlabsturz unter der Brücke umgebaut werden, um eine Durchgängigkeit der Wandse gemäß EG-Wasserrahmenrichtlinie zu erzielen.

Was sonst noch interessant ist

Die Lackfabrik wurde zwischen 1909 und Ende 2004 betrieben. Zuvor befand sich dort die nach neuesten Erkenntnissen des AK Geschichte des Rahlstedter Kulturvereins e.V. sogar schon 1309 erstmals urkundlich erwähnte Loher Wassermühle. Aufgrund ihrer historischen Bedeutung hat auch die archäologische Denkmalpflege ein grundsätzliches Interesse an dem Grundstück.

Kleine Anfragen

Seit Herbst 2009 beschäftige ich mich mit dem Thema, habe recherchiert, Gespräche geführt und die Nachbarn der alten Lackfabrik, die sich in der „Interessengemeinschaft Arostal-Lackfabrik“ zusammengeschlossen haben, mit den Vertretern der Grundeigentümer der Lackfabrik zusammengebracht. Mittlerweile zwölf Kleine Anfragen förderten bis dahin Unbekanntes über die Altlast zu Tage. Die Kleinen Anfragen können hier heruntergeladen werden:

  1. Drucksache 19/4064 vom 18. September 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1“
  2. Drucksache 19/4439 vom 30. Oktober 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (II)“
  3. Drucksache 19/4753 vom 11. Dezember 2009: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (III)“
  4. Drucksache 19/5106 vom 26. Januar 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (IV)“
  5. Drucksache 19/5239 vom 9. Februar 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (V)“
  6. Drucksache 19/5478 vom 2. März 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VI)“
  7. Drucksache 19/6836 vom 3. August 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VII)“
  8. Drucksache 19/7369 vom 1. Oktober 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (VIII)“
  9. Drucksache 19/7421 vom 5. Oktober 2010: „Ehemaliges Betriebsgelände der Firma Arostal Norddeutsche Lackfabrik Max Lichtenberg & Co. (GmbH & Co.) im Altrahlstedter Kamp 1 (IX)“
  10. Drucksache 20/3650 vom 3. April 2012: „Altlast Lackfabrik an der Wandse“
  11. Drucksache 20/8592 vom 12. Juli 2013: „Altlast Lackfabrik an der Wandse (II)“
  12. Drucksache 20/8975 vom 28. Oktober 2013: „Altlast Lackfabrik an der Wandse (III)“