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Bildunterschrift: Die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Julia Barth-Dworzynski, Alexander Mohrenberg und Ole Thorben Buschhüter (v.l.n.r.) im Sommer 2021 am ersten dachbegrünten Fahrgastunterstand in Hamburg.


Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden im Juni 2021 an den Bushaltestellen U Osterstraße und Axel-Springer-Platz vom Stadtmöblierer Wall die Dächer zweier Fahrgastunterstände begrünt. Zuvor hatte die Hamburgische Bürgerschaft in ihrer Sitzung am 24. März 2021 einen entsprechenden Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN beschlossen. Nun liegen die Ergebnisse der fachlichen Evaluation vor, und diese übertreffen die Erwartungen: Bereits im ersten Jahr mit vollständigem Bewuchs nutzen zahlreiche Bienen- und Wespenarten die zwei Gründächer als Lebensraum. Insgesamt konnten von Mai bis September 2022 49 Arten (25 Bienenarten und 24 Wespenarten) nachgewiesen werden.

“Stadt und Natur schließen sich nicht aus, sondern gehören zusammengedacht. In Hamburg gibt es über 4.200 Bushaltestellen mit über 2.300 Fahrgastunterständen – Tendenz steigend. Die Zwischenergebnisse des Pilotprojekts haben gezeigt, dass Fahrgastunterstände einen wichtigen Beitrag zur Stadtnatur und zur Biodiversität leisten können. An diesen positiven Erfolg gilt es nun anzuknüpfen, indem weitere Dächer von Fahrgastunterständen begrünt werden”, sagt Ole Thorben Buschhüter, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Wie geht es nun weiter? Ab Herbst 2023 sollen fünf weitere Gründächer auf Hamburger Fahrgastunterständen aufgebaut werden. Dabei werden verschiedene Standortanforderungen berücksichtigt und die wissenschaftliche Evaluation fortgesetzt.

Antrag “Pilotprojekt für dachbegrünte Fahrgastunterstände” von SPD und GRÜNEN vom 10. März 2021 (Drucksache 22/3540): https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/74834/pilotprojekt_fuer_dachbegruente_fahrgastunterstaende.pdf


Presseinformation der Deutschen Wildtier Stiftung und der Wall GmbH vom 20. April 2023 (Auszüge)

Seltene und bedrohte Wildbienenarten in der Hamburger Innenstadt nachgewiesen: Wall und Deutsche Wildtier Stiftung stellen positive Erstbilanz der ökologisch begrünten Fahrgastunterstände vor –– Ausweitung des Projekts geplant 

Mit 49 verschiedenen Wildbienen- und Wespenarten auf nur zwei begrünten Fahrgastunterständen verlief das Pilotprojekt von Wall und Deutscher Wildtier Stiftung noch erfolgreicher als zunächst erwartet: Nachgewiesen wurden sogar seltene und bedrohte Arten sowie die Existenz einer Goldwespen-Art, die zuvor noch nie in Hamburg gefunden wurde. Zum ersten Mal in Deutschland wurden begrünte Fahrgastunterstände nach ökologischen Aspekten konzipiert und nach Errichtung über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren wissenschaftlich untersucht. Das Fazit der ersten Projektphase: Neue Lebensräume für Insekten können selbst in verdichteten urbanen Stadträumen geschaffen werden. Voraussetzung ist eine naturschutzfachliche Bepflanzung und technische Expertise im Hinblick auf die Konstruktion des Stadtmöbels. 

Mit Fahrgastunterständen lassen sich neue Lebensräume für Insekten erschließen sowie die Biodiversität in Stadtvierteln fördern. Zu diesem Ergebnis kam die Evaluation der Deutschen Wildtier Stiftung zu den beiden begrünten Fahrgastunterständen von Wall in Hamburg. 

Seit Juni 2021 und für eine volle Vegetationsperiode im Jahr 2022 lief die Untersuchung eines bisher in Deutschland einzigartigen Projektes. Das Unternehmen Wall und die Deutsche Wildtier Stiftung realisierten in Abstimmung mit der für die Fahrgastinfrastruktur verantwortlichen Behörde für Verkehr und Mobilitätswende die ersten naturschutzfachlich begrünten Fahrgastunterstände, die einen nachgewiesenen Mehrwert speziell für Bienen und Wespen in urbanen Räumen bieten. Zwei Bushaltestellen der Hamburger Hochbahn am Standort Stadthausbrücke sowie am Standort Osterstraße wurden mit einem speziell konzipierten Fahrgastunterstand mit integriertem Gründach versehen, dessen Vegetation mit Nährpflanzen als Lebensraum für Insekten angelegt ist. An der Stadthausbrücke, in einem hoch verdichteten und schattigen Stadtraum, und an der Osterstraße, die mehr Stadtgrün aufweist, untersuchten die Wildbienenexperten der Deutschen Wildtier Stiftung die gesamte Vegetationsperiode 2022 hindurch wissenschaftlich, wie sich die Bepflanzung mit ausgesuchten Blütenpflanzen auf die Besiedlung der Dächer durch Insekten und besonders Wildbienenarten auswirkt. 

Der vorliegende Abschlussbericht der Stiftung für diese erste Projektphase zeigt überraschend bedeutsame Ergebnisse. Bereits im ersten Jahr mit vollständigem Bewuchs nutzen zahlreiche Bienen- und Wespenarten die zwei Gründächer als Lebensraum. Insgesamt konnten von Mai bis September 2022 49 Arten (25 Bienenarten und 24 Wespenarten) nachgewiesen werden. An dem eher schattig gelegenen Standort Stadthausbrücke wurde sogar eine größere Artenvielfalt festgestellt als am Standort Osterstraße, was auch die Experten nicht erwartet hatten. Unter den identifizierten Arten befand sich mit einer Goldwespenart (Elampus konowi) eine sehr seltene und erst 2021 in Hamburg nachgewiesene Art. Für die Experten überraschend konnten sie auch den Erstfund von Omalus biaccinctus, einer weiteren Goldwespenart, in Hamburg dokumentieren. Mit der Sandbiene (Andrena denticulata) fanden sie zudem eine Wildbiene, die auf der Vorwarnliste der bedrohten Arten zu finden ist. 

Die Naturschutzfachleute der Deutschen Wildtier Stiftung stellen in der Evaluation der Gründächer fest: „Obwohl sich die Gründächer in einer naturfernen Umgebung befinden und eine geringe Flächengröße haben, wurden einige wertgebende Arten nachgewiesen. Darunter befand sich auch ein Neunachweis für Hamburg. In Anbetracht der geringen Größe und des städtischen Umfelds übertreffen auch die festgestellten Arten- und Individuenzahlen alle Erwartungen. […] Dies lässt den Schluss zu, dass die untersuchten Gründächer sehr wesentlich zur Entwicklung von Wildbienenpopulationen beitragen und damit an den untersuchten Standorten eine wichtige Rolle beim Artenschutz einnehmen.“ 

Aufgrund dieser durchgehend positiven Ergebnisse der Studie, die erstmals in Deutschland den ökologischen Mehrwert kleinerer Gründächer auf Fahrgastunterständen des ÖPNV untersucht hat, erweitert das Unternehmen Wall das Projekt um zusätzliche fünf Gründächer in Hamburg, deren Standorte sich gerade in Abstimmung befinden. Da hierfür erneut der Aufbau von neu konstruierten Fahrgastunterständen erforderlich ist, werden die Gründächer voraussichtlich ab Oktober 2023 bepflanzt werden und im Jahr 2024 mit entwickelter Vegetation den Insekten neuen Lebensraum bieten können. Die Deutsche Wildtier Stiftung wird mit ihrem Expertenteam erneut die Bepflanzung der Gründächer begleiten und die weitere Erforschung der Habitate in der Wildbienensaison 2024 durchführen. Wall trägt auch weiterhin allein die gesamten Kosten für das gesamte Projekt in Höhe eines sechsstelligen Betrages. 

Die Pflege der Gründächer auf den Fahrgastunterständen war mit geringerem Aufwand verbunden, als anfangs vermutet. Im ersten Jahr nach der Anlage (2021) wurden die beiden Flächen bewässert, um das Anwachsen und Ausbreiten der ausgewählten Blühpflanzen sicherzustellen. Im zweiten Jahr (2022) musste trotz besonders geringer Niederschläge im Sommer nicht mehr gewässert werden. Die ausgewählten Pflanzen erwiesen sich als recht resistent gegenüber den verschiedenen Witterungsbedingungen. Auch die Fahrgastunterstände selbst, die eigens für das Pilotprojekt neu konstruiert worden waren, um etwa Regenwasser aufnehmen und die zusätzliche Dachlast tragen zu können, kommen ohne zusätzlichen Wartungsaufwand aus. Damit verfügt Wall über ein ökologisch sinnvolles Konzept zur Begrünung von Fahrgastunterständen mit einem Mehrwert für Insekten und gleichzeitig sehr effizientem Ressourceneinsatz. 

Weitere Informationen: https://www.wall.de/presseinformation/seltene-und-bedrohte-wildbienenarten-der-hamburger-innenstadt-nachgewiesen-wall